Die digitale Eisenbahn und FRMCS

In der Presse wird viel über die „digitale Eisenbahn“ berichtet, als ob dies eine neue Entwicklung wäre. Tatsächlich entstand die digitale Eisenbahn mit der ersten operativen Implementierung von GSM-R im Jahr 1999. Der Internationale Eisenbahnverband (UIC) bezeichnet GSM-R als „Träger des ersten digitalen Eisenbahnfunksystems“. GSM-R ist ein digitales Funksystem der zweiten Generation (2G), das auf dem kommerziellen GSM-Mobiltelefonsystem basiert, jedoch für den Einsatz auf der Schiene angepasst wurde. Es ist in ganz Europa äußerst erfolgreich und wird in über 20 Ländern auf 100.000 km Gleisen eingesetzt. Diese Zahl dürfte sich in den nächsten Jahren aufgrund der laufenden Installationen auf der ganzen Welt, darunter in Algerien, Saudi-Arabien, Indien, China und Australien, verdoppeln.

Allerdings ist die Technologie schon über 20 Jahre alt und die Gerätehersteller haben angedeutet, dass sie ihre Produktpalette nach 2030 nicht mehr unterstützen wollen. Die kommerziellen Mobilfunkbetreiber haben sich von 2G über 3G und 4G weiterentwickelt und setzen jetzt 5G-Systeme ein. 2G-Systeme wie GSM-R wurden für Sprachkommunikation und Datendienste mit niedriger Bitrate entwickelt. Neuere Technologien wie 5G sind als flexible mobile Breitbandsysteme konzipiert, die eine Reihe von Anwendungen unterstützen können, von Daten und Sprache mit niedriger Bitrate bis hin zu Anwendungen, die Hunderte von Megabit Daten erfordern.

GSM-R sollte das europäische Zugsteuerungssystem (European Train Control System) tragen – ein fortschrittliches Zugsteuerungssystem, das alle unterschiedlichen Signalsysteme ersetzen soll, die auf den europäischen Eisenbahnen im Einsatz sind. GSM-R und ETCS sind zwei wichtige Teile eines großen europäischen Projekts namens ERTMS (European Rail Traffic Management System). Dieses Projekt wird die Eisenbahningenieure bis 2040 und darüber hinaus beschäftigen. Angesichts des möglichen Endes von GSM-R im Jahr 2030 ist ein Nachfolger für GSM-R erforderlich.

Ein weiteres UIC-Projekt ist derzeit im Gange und trägt den Namen FRMCS – Future Railway Mobile Communications System. Das Projekt begann 2012 mit der Veröffentlichung eines UIC-Dokuments namens User Requirement Specification (URS), das die Benutzeranforderungen für die Kommunikation im Schienenverkehr festhalten sollte. FRMCS ist nicht einfach ein Ersatz für GSM-R, sondern bietet eine enorme Chance, viele Anwendungen im Schienenverkehrsumfeld zu unterstützen.

Die neueste Version von URS trägt die Bezeichnung FU 7100-v5.0.0 und wurde im Mai 2020 veröffentlicht. Dieses Dokument wird dann zur Erstellung von „funktionalen Anwendungsfällen“ verwendet. Anwendungsfälle werden aus zwei Gründen benötigt: Erstens werden sie zur Entwicklung der Functional Requirement Specification (FRS) und damit der System Requirement Specification (SRS) verwendet. Die SRS ist erforderlich, um die europäischen Richtlinien hinsichtlich der Interoperabilität zwischen europäischen Eisenbahnen zu erfüllen. Zweitens können die Anwendungsfälle ETSI und 3GPP zur „Lückenanalyse“ vorgelegt werden.

Laut UIC sollte das FRMCS technologieunabhängig sein. Es macht jedoch keinen Sinn, eine neue Technologie zu entwickeln, wenn 3GPP eine Reihe von Standards hat, die sich auf Mission Critical Communications (MCX) konzentrieren. Die Lückenanalyse verwendet die Anwendungsfalldokumente, um zu sehen, welche vorhandenen Standards auf FRMCS anwendbar sind und welche Arbeit getan werden muss, um die Kommunikationsanforderungen der Eisenbahngemeinschaft zu erfüllen.

Das FRMCS-Projekt ist in vollem Gange. Für 2023 ist die Einführung eines FRMCS-Demonstrators geplant, und die ersten nationalen Tests beginnen 2024. Der Zeitplan ist sehr eng und FRMCS steht vor zahlreichen Herausforderungen, doch die Vorteile für die Eisenbahn sind umfangreich.